Die Persönliche Ökologische Norm II

1.2 Verantwortungsgefühl
Eine Frage des Gewissens

Wenn mir bewusst ist, dass mein eigenes Verhalten für Umweltschäden und die Lösung von Umweltproblemen relevant ist, habe ich ein starkes Verantwortungsgefühl. Weiterhin verstehen Psycholog*innen unter dem Begriff ein Gefühl der Verpflichtung, das dadurch entsteht, dass Probleme nicht anderen (z. B. der Industrie oder Regierung), sondern sich selbst zugeschrieben werden. In mehreren Studien zeigte sich immer wieder: Wer die Verantwortung für Umweltschutz bei sich selbst sieht, ist auch bereit, sich umweltschützend zu verhalten.

Ein treibender Faktor hinter dem Verantwortungsgefühl sind häufig Schuldgefühle, die entstehen, wenn sich jemand schädliches Verhalten selbst zuschreibt. Ob ich Schuldgefühle in Kampagnen oder Aktionen jedoch direkt betonen und erzeugen möchte, sollte ich sorgfältig abwägen, da Schuld eine negative Emotion ist.

Negative Emotionen führen häufig zu Bewältigungsstrategien, die dem umweltfreundlichen Verhalten entgegenwirken können.

Wie fördern wir Verantwortungsgefühl?

Eine empfehlenswertere Methode, um Verantwortungsgefühl langfristig zu stärken und Verhaltensänderung zu bewirken, ist die Vermittlung von umweltschützenden Werten

Unter Werten verstehen Psycholog*innen Leitprinzipien wie Freiheit, Gleichheit oder Umweltschutz, die als situationsübergreifende Ziele unterschiedlich wichtig sind und entsprechend wirken können.

Wie wir zu einem Wertewandel beitragen können, erklären uns z. B. Crompton und Kasser (siehe Literaturtipps im Buch). Auf weitere Strategien zur Stärkung des Verantwortungsgefühls werden wir in den folgenden Abschnitten eingehen.

Selbstaufmerksamtkeit und kognitive Dissonanz

Selbstaufmerksamkeit ist eine Methode, um das Verantwortungsgefühl zu stärken. Denn Selbstaufmerksamkeit bedeutet, dass wir bewusst handeln, weil wir unser aktuelles Verhalten mit den Zielen, wie wir selbst sein möchten, abgleichen. Sie lässt sich z. B. fördern, indem wir uns im Spiegel betrachten, durch Diskussionen über eigene Visionen und Ideale oder durch gezielte Fragen wie „In welchen Bereichen verhalte ich mich nachhaltig, in welchen möchte ich mich nachhaltiger verhalten?“ und „Für welche Werte möchte ich eintreten und inwieweit tue ich es bereits bzw. nicht?“. Die zwei Fragen „Wer bin ich?“ und „Wer möchte ich sein?“ stehen sich im Prozess der Selbstaufmerksamkeit also gegenüber.

Erhöhen wir die Selbstaufmerksamkeit von Menschen, spüren sie eventuell Unterschiede zwischen dem eigenen Verhalten und den verfolgten Werten – dann sprechen Psycholog*innen von kognitiver Dissonanz.

Kognitive Dissonanz ist ein unangenehmer Spannungszustand, der in uns den Drang auslöst, gemäß unseren Werten zu handeln. Daraufhin werden wir versuchen, entweder unsere Werte dem Verhalten oder unser Verhalten den Werten anzupassen.

Modell der kognitiven Dissonanz

Schritt 3

Nimm dir deinen Zettel oder dein Notizbuch und 5 Min Zeit. Überlege, was bei dir kognitive Dissonanzen auslöst oder wo du sie schonmal beobachtet hast.

An welche Situation kannst du dich erinnern, wo deine Werten und dein Handeln nicht überein gestimmt haben?

Sind umweltschützende Werte bereits im Selbstkonzept gefestigt, können diese durch die Erhöhung der Selbstaufmerksamkeit aktiviert werden und so eine Veränderung hin zu umweltgerechten Verhaltensweisen bewirken. Dazu passt, dass sich kognitive Dissonanz in einer Metaanalyse (Eine Metaanalyse ist eine Zusammenfassung von Primär-Studien unter Verwendung statistischer Verfahren) als effektivstes Mittel zeigte, um Umweltverhalten zu verstärken – z. B. im Vergleich zu Feedback oder Belohnung.

Kognitive Dissonanz ist zwar sehr wirksam, aber auch mit Vorsicht anzuwenden, weil sie auch ’nach hinten losgehen‘ kann. Wenn ich keine realistische Möglichkeit sehe, mein eigenes Verhalten meinen Werten anzupassen, werden Verhaltensweisen unter Umständen nicht geändert und stattdessen Werte neu definiert. Erkenne ich die Umweltschädlichkeit meines eigenen Verhaltens, wird Umweltschutz so möglicherweise als weniger erstrebenswert angesehen.

Selbstaufmerksamkeit und die dadurch ausgelöste kognitive Dissonanz unterstützen uns darin, unsere Werte mit unseren Handlungen abzugleichen und umgekehrt.

Habe ich bereits umweltschützende Werte, so könnte ich mich daraufhin umweltschützender verhalten. Es kann aber auch sein, dass ich stattdessen umweltschützende Werte abwerte.

Selbstverpflichtung

Eine weitere Strategie zur Stärkung von Verantwortungsgefühl ist die Selbstverpflichtung (oder auch Commitment). Darunter verstehen Psycholog*innen eine mündliche oder aufgeschriebene Zusicherung bzw. ein Versprechen, das eigene Verhalten zu ändern. In den meisten Fällen geht das Versprechen mit einem bestimmten Ziel einher, z. B. seinen Energieverbrauch um 5 Prozent zu senken. Selbstverpflichtungen können privat (z. B. durch Unterzeichnung eines Zusagebriefes) oder öffentlich (z. B. in einer Zeitungsanzeige) gemacht werden.

Clayton und Myers nehmen an, dass Selbstverpflichtung eventuell die Motivation verschiebt, nämlich von außen (anderen gefällig sein) nach innen (sein Versprechen halten und sein eigenes Ziel dabei erreichen). Dadurch entsteht ein großes Potenzial für positive Gefühle. Dies ist die Stärke von Selbstverpflichtungen und macht sie zu einer langfristig wirksamen Methode, um Verhaltensänderung hervorzurufen.

Wenn sich beispielsweise bei einer kleinstädtischen Versammlung eine Bürgerin verpflichtet, die Organisation eines Foodsharing-Events zu übernehmen, wird ihr Einsatz für das Projekt gestärkt und sie wird sich dem nachhaltigen Verhalten im Bereich Ernährung stärker verpflichtet fühlen. Das Tragen von Umweltorganisations-T-Shirts, -Buttons oder -Aufklebern kann auch zur Steigerung eines Selbstverpflichtungsgefühls führen. In Überblicksberichten und Metaanalysen wurde ein hoher Zusammenhang zwischen Selbstverpflichtung und dem gewünschten Verhalten gefunden.

Wir können Zusicherungen wirksam gestalten, indem wir einige Regeln beachten:

Verpflichten wir uns selbst für eine umweltschützende Handlung, so ist es wahrscheinlicher, dass wir sie dann auch ausführen.

Selbstverpflichtungen sind besonders wirksam, wenn sie ausgeschrieben, öffentlich und freiwillig sind und mit Informationen kombiniert werden.