Nun geht es vor allem darum, die Frage zu beantworten: Wo ist mein Platz in dieser Gruppe und habe ich die Verantwortung und den Einfluss, mit dem ich mich wohl fühle?
Nachdem zu Beginn Aufgaben verteilt wurden, zeigt sich hier, ob die Gruppe sie in der Aufteilung umsetzen kann. Das Machtgefüge wird stärker thematisiert und es wird geschaut, wie Entscheidungen von wem getroffen werden und wer wirklich welche Aufgabe ausführt. Interne Abläufe können sich hier festigen.
Vom Boot aus gesehen, stehen hier folgende Fragen im Vordergrund: Wer hat das Ruder in der Hand? Wie wird entschieden, wo die Fahrt hingeht? Wie laufen Prozesse ab, wenn das Boot auf hoher See ist? Ist der Platz, der bestimmten Personen versprochen wurde, frei oder sitzt jemand schon darauf?
Zusammenarbeit in der Gruppe wird zwangsläufig mit unerwarteten Situationen gespickt sein und dabei müssen Fragen geklärt werden.
Es kann die Produktivität der Initiative sänken, wenn viel Energie für gruppeninterne Prozesse aufgebraucht wird – vor allem, wenn es oft zu Konflikten kommt.
Themen, die bisher vermieden wurden, kommen zum Vorschein. Diese Phase bietet eine Chance, sie anzusprechen und zu klären.
Für leitende Personen in der Gruppe – eine Rolle, die auch du als Multiplikator*in einnehmen kannst – ist es wichtig, diese Reibungspunkte sichtbar zu machen und Raum dafür zu schaffen, sie mit der Gruppe zu klären.
Um Rollen für dich oder auch gemeinsam mit der Gruppe zu reflektieren, kannst du die Methode der Schriftlichen Aufstellung ausprobieren. Du findest sie in der methode n auf S. 24. Sie kann ein guter Ausgangspunkt dafür sein, über eure Positionen und Machtgefüge in der Gruppe zu sprechen und damit einen konstruktiven Umgang zu finden.
Konflikte sind immer auch ein wichtiger Schritt nach vorne und Teil eines normalen Prozesses.
Wenn es Konflikte gibt, liegt es oft daran, dass Fragen in der Inklusionsphase nicht geklärt wurden. Es muss aber auch nicht unbedingt große Konflikte geben und das ist ebenso vollkommen in Ordnung.
Manchmal können in dieser Phase auch Probleme aufkommen, weil niemand sich für etwas verantwortlich fühlt und das Vorhaben dadurch stockt. Hier sollte Platz dafür sein, zu klären, woran das liegt. Dabei ist es wichtig, regelmäßig darüber zu sprechen, was jede*r macht, wie die Aufgaben laufen und was es aktuell für Herausforderungen gibt.
Hilfreiche Reflexionsfragen können auf verschiedenen Ebenen ansetzen.
Auch wenn es schwierig ist, kann es helfen, einen Schritt zurück zu gehen und zu schauen, ob das Projekt oder Vorhaben überhaupt sinnvoll ist und in die Gruppe passt.
Falls es nicht daran liegt, sind womöglich Ziele oder Verantwortungen unklar oder Menschen mit ihren Aufgaben überfordert.
Wichtig ist, dass ihr euch die Zeit nehmt, eine misslungene Gruppenarbeit zu analysieren und die Schwachstellen und Probleme aufzudecken.
Praktisch kannst du das mit Reflexionsaufgaben am Anfang einer Sitzung anregen oder mit Journaling, ähnlich wie hier im Kurs.
Um Stimmungsbilder aus der Gruppe einzufangen, kann auch ein Blitzlicht hilfreich sein, in dem jede Person in nur einem Wort oder Satz eine Frage beantwortet.
Ein gemeinsam erarbeitetes Regelplakat kann viel bewirken, wenn die Regeln kollektiv festgelegt werden und ihr ein geteiltes Verständnis von eurem Umgang miteinander habt z.B. eine Nettiquette.
Aus dem Regelplakat abgeleitet kann die Gruppe neue Rollen bestimmen, z.B. eine Person, die interveniert wenn verletzende Sprache verwendet wird oder die darauf achtet, dass Redeanteile gleich verteilt sind.
In dieser Phase kann auch grundsätzlich die Art und Weise der Moderation oder der Ablauf in Frage gestellt werden. Es ist wichtig, diese Bedenken zu hören und dabei möglichst auf Wünsche der Beteiligten einzugehen.
Es geht bei Treffen oder auch externen Veranstaltungen gerade darum, andere dabei zu unterstützen, dass sie sich kompetent fühlen, eine Aufgabe zu übernehmen und denken: Ja ich kann das schaffen!
Zu der Rollenklärung in der Gruppe gehört auch die Frage danach, wie Entscheidungen eigentlich getroffen werden. Jede*r von uns hat eigene Methoden und auch verschiedene Erfahrungswerte damit gesammelt.
Nimm dir ca. 15 Min Zeit, um über folgende Frage nachzudenken und dir auf deinem Zettel Notizen zu machen:
Wie trefft ihr aktuell in eurer Initiative oder Gruppe Entscheidungen? Wie wünschst du dir, dass Entscheidungen getroffen werden?
Diese Reflexion ist erstmal für dich persönlich, du musst sie hier nicht teilen. Sie kann aber ein guter Ausgangspunkt dafür sein, den Entscheidungsprozess in deiner Initiative oder Gruppe anzusprechen.
Entscheidungsfindung funktioniert meistens in diesen Schritten:
Das Systemische Konsensieren ist eine Methode, die darauf abzielt, Entscheidungen zu treffen, welche für die gesamte Gruppe akzeptabel sind.
Konsens heißt, dass eine Übereinstimmung gefunden wird. Dafür wird die Lösung mit der geringsten Ablehnung in der Gruppe erarbeitet, also eine Lösung, die bei den wenigsten Personen Widerstände verursacht.
Der Grundgedanke ist, dass die Lösung mit dem geringsten Widerstand näher an dem Konsens in der Gruppe ist, als die Lösung mit dem höchsten Zuspruch.
Die Methode ist der Versuch einer sehr demokratische Herangehensweise und eines transparenten Prozesses.
Es setzen sich nicht diejenigen durch, die die lauteste Stimme haben oder am meisten Überzeugungsarbeit leisten, sondern die, dessen Vorschäge in der Gruppe auf die höchste Resonanz stoßen.
Systemisches Konsensieren ist nicht zwingend für jeden Kontext geeignet aber gerade wenn in einer Gruppe wichtige Entscheidungen getroffen werden, die alle mittragen sollten, kann es eine sinnvolle Methode sein. Sie kann aktuelle Wiederstände in der Gruppe gut widerspiegeln, weil sie u.a. Unterschiede statt Gemeinsamkeiten in der Gruppe zeigt.