Ein Freund möchte gerne meine Beratung beim Einkauf eines Pullovers haben. Ich habe mir eigentlich vorgenommen, nur noch ökologische Mode oder Second-Hand-Kleidungsstücke zu kaufen. Als ich im Laden stehe, fällt mir eine Hose ins Auge. Ich könnte nun nachsehen, ob es in den Online-Shops der nachhaltigen Modelabels oder bei einem Second-Hand-Anbieter im Internet eine ähnliche Hose gibt. Leider gibt es in meiner Stadt keine nachhaltigen Kleidungsgeschäfte, weshalb ich viel Arbeit in die Recherche investieren, einen großen Batzen Geld in die Hand nehmen müsste und nicht einmal sicher sein könnte, ob mir die im Internet erworbene Hose passt. Oder ich mache eine Ausnahme entgegen meinen eigenen Werten, kaufe die Hose – und verbringe noch einen schönen Tag mit meinem Freund.
Wie in dieser Situation kann jede Entscheidung durch das Abwägen positiver und negativer Folgen getroffen werden. Allgemein versuchen wir, die – von uns angenommenen – Kosten zu verringern bzw. zu vermeiden.
Zu den Kosten zählen einerseits Verhaltenskosten (sich z. B. im Urlaub nicht stressen lassen) und andererseits monetäre Kosten. Den von uns erwarteten (Verhaltens-)Nutzen wollen wir möglichst vergrößern. Je nach Situation kann das bedeuten, dass wir hedonistische Ziele „mich sofort besser fühlen“ oder gewinnorientierte Ziele „meinen eigenen Besitz schützen und vermehren“ vorziehen, weil ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis besteht. Andere Motive (z. B. die persönliche ökologische Norm) treten dann in den Hintergrund.
Nicht nur in der Psychologie ist schon lang bekannt: Verstärkungsmechanismen der Belohnung und Bestrafung sind für Verhalten wichtig. Verhaltensweisen, die belohnt werden, werden eher wiederholt. Verhaltensweisen, die bestraft werden, werden eher gemieden. Belohnt werden kann eine Handlung, indem sie eine positive Konsequenz hat oder indem eine negative Konsequenz ausbleibt. Bestraft werden kann sie, indem sie eine negative Konsequenz hat oder eine positive Konsequenz ausbleibt.
Deshalb ist es sehr naheliegend, dass wir auf der einen Seite versuchen sollten, umweltschützende Verhaltensweisen mit positiven Konsequenzen zu verbinden, z. B. Flaschenrecycling mit einer Einkaufsgutschrift belohnen. Zudem sollten wir damit verbundene negative Konsequenzen möglichst entfernen, z. B. Fahrradwege sicherer machen. Auf der anderen Seite sollten umweltschädigende Verhaltensweisen unangenehmer werden, z. B. durch eine Erhöhung von Parkgebühren, oder ihre angenehmen Folgen sollten ausbleiben, z. B. könnte schnelles Vorankommen beim Autofahren durch Vorfahrtsregelungen zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel verhindert werden. Eine besondere Art des Anreizes sind Wettbewerbe, bei denen Belohnungen in Aussicht gestellt werden.66 Bei Spielen, Wettbewerben oder in einer Lotterie treten z. B. verschiedene Haushalte, Universitäten oder Schulen gegeneinander an.
In der Psychologie sind Belohnung und Bestrafung von umweltschutzbezogenem Verhalten gut untersuchte Felder, da beide eine starke Wirkung auf das Verhalten haben können. Häufig wird auf finanzielle Belohnung oder Bestrafung fokussiert.
Obwohl Bestrafungen (z.B. Nutzungs- oder Entsorgungsgebühren) vielleicht die Wahrscheinlichkeit verringern, dass wir uns auf eine gewisse Weise verhalten, spricht vieles gegen ihren Einsatz. Eine Bestrafung informiert uns zwar darüber, was wir nicht machen sollen, sie liefert aber nicht automatisch einen Hinweis, was wir eigentlich machen sollen. Darüber hinaus regt Bestrafung dazu an, nach Wegen zu suchen, um diese Bestrafung zu umgehen. So führt eine am Gewicht orientierte Müllsteuer dazu, dass Müll z. B. in fremde Mülltonnen oder in den Wald illegal entsorgt wird. Zusätzlich führen Bestrafungen zu einer negativen Bewertung der Bestrafenden.
Bei Verhaltensweisen, die nur einmal ausgeführt werden, kann die Belohnung nach dem Kauf entfernt werden, weil sie keine Auswirkungen mehr auf das Kaufverhalten haben kann – z. B. reicht ein einmaliger staatlicher Zuschuss zum Kauf eines Elektroautos aus, um dessen Anschaffung zu motivieren. Bei permanenten Verhaltensweisen, z. B. jeglichem Verzichtverhalten, sieht dies jedoch anders aus. Wie oben erklärt, ist die Wegnahme einer positiven Konsequenz nämlich eine Art der Bestrafung.
Ein Überblicksartikel von Dwyer und Kolleg*innen legt nahe, dass ein bestimmtes umweltfreundliches Verhalten wahrscheinlicher ist, während eine Belohnung gegeben wird. Nach Entfernung der Belohnung ändert sich das Verhalten jedoch häufig wieder und gleicht der Ausgangssituation. Kaufe ich beispielsweise zwei Wochen lang Fairtrade-Schokolade, weil sie durch einen Preisnachlass kurzfristig billiger ist als gewöhnliche Schokolade, ist es wahrscheinlich, dass ich nach diesen zwei Wochen wieder zu einer konventionellen Schokolade wechseln werde.
Für langfristige Gewohnheitsveränderungen müssen Belohnungen demnach andauernd sein. Können wir dies aus finanziellen oder anderen Gründen nicht umsetzen, sollten wir auf andere Strategien zurückgreifen. Ein Spezialfall sind Belohnungen, die eine erstmalige Ausführung ermöglichen. Hier kann die Wirksamkeit trotz Entfernung der Belohnung hoch sein.
Nur wenn Belohnungen zeitnah zu dem gewünschten Verhalten gegeben werden, wird das Verhalten mit dem Anreiz assoziiert und infolgedessen häufiger ausgeführt. Neue Technologien, wie z. B. Solaranlagen oder Elektroautos, zahlen sich häufig erst langfristig aus. Gerade hier sind deshalb direkt belohnende Rabatte beim Kauf empfehlenswert, damit wir uns für eine nachhaltige Investition entscheiden.
Als zu groß empfundene Belohnungen für Umweltschutzverhalten können die Wahrscheinlichkeit verringern, dass das Verhalten weiterhin ausgeführt wird, nachdem die Belohnung wieder aussetzt. Dies wird von Wissenschaftler*innen darauf zurückgeführt, dass der Schein erweckt wird als wären die Verhaltensweisen unangenehm, weil man für sie einen so großen Köder benötigt. Darüber hinaus führen zu große Anreize dazu, dass ich meine Verhaltensmotivation auf den Anreiz und nicht auf den Schutz der Umwelt zurückführe. Besser sind mittlere und angemessene Belohnungen, die mich reizen und mir gleichzeitig das Gefühl geben, mich umweltschonend zu verhalten, weil ich die Umwelt schützen möchte.
Die Umweltschutzpsychologie unterscheidet in Anlehnung an die Wertetheorie von Schwartz zwischen egoistischen Werten ("Wie wichtig ist mir mein eigener Nutzen?"), altruistischen Werten ("Wie wichtig ist mir der Nutzen für andere Menschen?") und biosphärischen Werten ("Wie wichtig ist mir der Nutzen für die Natur?"). Dabei führen egoistische Werte häufig zu umweltschädigendem Verhalten, während altruistische und biosphärische Werte mit umweltschützendem Verhalten verknüpft sind.
Die Nachhaltigkeitskommunikation versucht deshalb, die Vorteile des Umweltschutzes für verschiedene Wertorientierungen herauszuarbeiten. So ist es sinnvoll, vegetarische und regionale Ernährung zu befürworten, weil sie (1) Tiere nicht ausnutzt und Ressourcen schont (biosphärische Perspektive), (2) weniger CO2 produziert und so Menschen in Ländern des Globalen Südens vor den Auswirkungen des Klimawandels bewahrt (altruistische Perspektive) und (3) zu einem gesünderen Lebensstil beiträgt (egoistische Perspektive).
Auch bei Formulierungen sollten wir vermeiden, den egoistischen Nutzen zu sehr hervorzuheben, weil wir sonst egoistische Motive – den "Business-Blick" – anregen. Will ich beispielsweise über Rabatte bei einer biologischen Gemüsekiste informieren, sollte nicht die Möglichkeit, Geld zu sparen, sondern das umweltschützende Argument im Vordergrund stehen.
Aus den oben beschriebenen Wirkungen von Belohnung und Bestrafung können wir Grundsätze für die Gestaltung von Verhaltensveränderungen bei nicht-monetären Anreizen ableiten. Es ist z. B. besonders wichtig, Verhaltensweisen für die Handelnden möglichst bequem zu machen und hedonistische Bedürfnisse zu erfüllen. Es bedarf viel Übung und Selbstdisziplin, jeden Morgen eine Viertelstunde zur Bushaltestelle zu gehen, anstatt das Auto vor der Tür zu nehmen. Deshalb ist es sinnvoll, die Anbindung an den öffentlichen Verkehr zu verbessern, denn kürzere Wege bedeuten in der Regel, dass wir den öffentlichen Verkehr häufiger nutzen werden.
Es ist hilfreich, unsere bereits gegebenen Leidenschaften und Talente, die deshalb wenig Selbstregulation erfordern, in einen nachhaltigen Lebensstilwandel einzubauen. Viele interessieren sich z. B. für Film, Kunst, Musik oder handwerkliche Tätigkeiten. Diese Bereiche lassen sich prima mit Umweltschutzaktionen und -verbreitung verbinden. Ein Film über ökologische Landwirtschaft könnte gedreht oder ein Flashmob organisiert werden. Können wir unsere Kreativität einbringen und ausleben, wird Umweltschutz plötzlich zu dem, was er sein sollte: freiheitlich und erfüllend.
Auch aus der Sicht der positiven Psychologie sollte Umweltschutz mit Zufriedenheit einhergehen. Das Schaffen von positiven Erfahrungen bei nachhaltigen Verhaltensweisen ist unumgänglich und nicht einmal besonders schwierig. Nachhaltige Aktionen haben viel Potential, Spaß zu machen. Auf einer Klamottentauschparty, bei einem Protest-Konzert, im Gemeinschaftsgarten oder in Gesprächen bei einer Mitfahrgelegenheit sind nachhaltige Handlungen automatisch mit interessanten Erfahrungen verbunden.